Vorsatz

„Aus Spalten und Rissen ist das glühende Blut der Erde emporgestiegen und ausgebrochen, ist zum Porphyr erstarrt, dessen fleisch- bis rostrote Felsanbrüche mit dem Grün der Pflanzendecke einen malerischen Gegensatz bilden.“ So beschrieb der Heimatforscher Erich Neuss die Gegend zwischen Trotha. und Giebichenstein.

Der besonders herausragende Felsen ist der Giebichenstein, die Sonderstellung machte ihn, wie viele ähnliche Erhebungen im Umkreis zu einem heidnischen Kult-Ort. Der Giebichenstein war dem germanischen Gott Donar geweiht, nachdem unser Donnerstag benannt ist. Dieser Gott war in bezeichnender Verquickung für Krieg und Fruchtbarkeit gleichzeitig zuständig. Der Ort und das Amt Giebichenstein gehörte neben Halle und Trotha zu den ältesten der Umgebung. Könige und Kaiser hielten sich hier mehr oder weniger freiwillig auf. Jahrhunderte lang war Giebichenstein Domäne des preußischen Königshauses. Die Seebener Straße wurde erst mit der Zugliederung Giebichensteins zu Halle am Beginn dieses Jahrhunderts so genannt, sie hieß vorher Trothaer Straße. Sie führte vom Gasthof Mohr zur Alten Heerstraße, eine von Gräben begleitete Pappelallee, die durch die Felder führte: die heutige Reilstraße. Die Erhebungen Klausberge, Reilsberg, Bergschenke waren früher sämtlich kahl, ein Verschönerungsverein hatte sie im vorigen Jahrhundert bepflanzt, um ganz bewußt einen grünen Gürtel um das stinkige Halle zu schaffen.

Die großen Gärten wie Amtsgarten und Reichardts Garten wurden bereits im 18. Jahrhundert zum Paradies, in dem sich die romantischen Dichter vor allem in Gesellschaft der vielen begabten Reichardtschen Töchter in die Natur und sich selbst verliebten. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstand das Bad Wittekind. Nach Bädern und Trinkkuren wurde sich ausgiebigst ergangen in dem riesigen Park, der das Viertel zwischen Reilstraße, Röderberg und Wittekindstraße ausfüllte. Nachts wurde der Park mit Lampions illuminiert, dazu sangen die Nachtigallen, die es heut noch dort gibt.

Von diesen Lustbarkeiten haben die Bewohner der Seebener Straße 5 nicht viel mitgekriegt. Ihr Leben als Maurer, Witwen und Arbeiter war alltäglicher. Dank des Lehrers Friedrich Linke wissen wir auch, was die Giebichensteiner Kinder Ende vorigen Jahrhunderts gespielt haben. Doch beginnen wir mit den düsteren Seiten aus dem Kirchenbuch.